Kapitalismus - Prinzip und Ausweg

Unserer Auftaktveranstaltung am 11. September 2021 in Berlin widmeten wir dem Thema „Ökonomie“. In der Tagung ging es darum, unser bestehendes Wirtschaftssystem auf den Prüfstand zu stellen und etwas über echte Alternativen zu erfahren.

Samirah Kenawi, Wirtschaftsautorin, gab uns als erste Sprecherin wichtige Einblicke in unser Finanzsystem, vermittelte uns Hintergrundwissen und erklärte Zusammenhänge.

2021 09 25 Samirah Kenawi MATR Iforum SA 4535

Samirah Kenawi auf der Tagung "Höher, Schneller, Weiter?" - Foto von Linus Lintner

In diesem Blog-Beitrag haben wir für Sie die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Tagungs-Vortrag von Samirah Kenawi mit dem Titel „Kapitalismus – Prinzip und Ausweg“ zusammengefasst.

Das kapitalistische Geldsystem verstehen!

Samirah Kenawi hat in ihrem Vortrag auf beeindruckende Weise das kapitalistische Geldsystem mit seiner ganzen Problematik dargestellt. Es besteht aus zwei Kreisläufen:

Dem Kreislauf der Realwirtschaft, in dem gearbeitet wird, produziert wird, Dienstleistungen erbracht werden und mit Waren gehandelt wird.

Und dem Kreislauf der Finanzwirtschaft in dem in Wahrheit nichts geschaffen wird. Hier werden rein Geschäfte gemacht, um aus Geld mehr Geld zu machen.

Wie in ein Fass ohne Boden fließt durch Profitmaximierung Geld aus dem Kreislauf der Realwirtschaft in den Kreislauf der Finanzwirtschaft. Dort sammelt es sich in „Taschen ohne Bedarf“ und fehlt in weiterer Folge als Kaufkraft in der Realwirtschaft. Auf der anderen Seite entsteht die Situation „Bedarf ohne Geld“, was wir ja durchaus alle kennen und wahrscheinlich schon einmal erlebt haben.

Die Realwirtschaft muss nun, um weiter bestehen zu können, ständig mit neuem Geld versorgt werden. Dies geschieht in der kapitalistischen Ökonomie immer nur in Form von Krediten. Denn Geld ist nichts anderes als Kreditschuld.

2021 09 25 Samira Kenawi Auszug Foliensatz

Darstellung von Samirah Kenawi

Wir bauen nicht Büroflächen, weil wir Geld haben, sondern weil wir Geld brauchen!

Das geschieht etwa durch Investitionskredite, denn die Bauwirtschaft ist einer der großen Motoren der kapitalistischen Ökonomie. Durch die Förderung von riesigen Investitionsprojekten - Stichwort Flughafenbau - wird Geld in die Realwirtschaft gepumpt. Samirah Kenawi bringt es auf den Punkt: „Man kann es auf die absurde Formel bringen: Wir bauen nicht Büroflächen, weil wir Geld haben, sondern weil wir Geld brauchen.“

Eine weitere Form, um die Realwirtschaft mit Geld zu versorgen, sind Entwicklungshilfen oder auch die gezielte, gesetzlich verordnete Staatsverschuldung.

Banken schaffen letztendlich Geld in beliebigen Mengen aus dem Nichts für Nichts!

In der Finanzwirtschaft werden nun mit den Profiten aus der Realwirtschaft Geschäfte getätigt, um aus Geld mehr Geld zu machen. Es wird hier mit Wertpapieren aller Art - also mit Schuldscheinen – gehandelt, und die Finanzwirtschaft wächst. Banken können durch Inner-Bankenkredite, eine Art interne Geldschöpfung, diese Finanzwirtschaft weiter aufpumpen. Sie schaffen letztendlich Geld und Schulscheine in beliebigen Mengen aus dem Nichts für Nichts. Das ist die absolute Perversion.

Und dieses Geld aus der Finanzwirtschaft fließt teilweise in die Realwirtschaft, denn die Leute wissen, dass ihr Geld im Grunde nichts wert ist. Sie suchen nach Anlageobjekten und alles wir aufgekauft und privatisiert – Autobahnen, Telefonnetze, kommunales Wohneigentum. Und nicht nur Infrastruktur, auf der ganzen Welt werden Ackerflächen, Wasserressourcen, Bodenschätze gekauft. Und wir alle – die Menschheit – wird enteignet. Mit Geld, das aus dem Nichts für Nichts geschaffen wird.

Das ist die ganz große Problematik und das ganz große Drama unseres Jahrhunderts!

Viele Lösungsmodelle werden nur von einem Teilaspekt der Probleme abgeleitet und haben nicht die gesamte Problematik im Blick.

Samirah Kenawi gibt in ihrem Vortrag einen kurzen Überblick über eine Reihe von Lösungsmodellen, die derzeit diskutiert werden, wie etwa die Zinskritik, die Gemeinwohlökonomie, die Monetary Money Theorie oder den Marxismus. Über die Bewegungen des Regiogeldes, Vollgeldes oder über Tauschringe. Über Kryptowährungen oder das bedingungslose Grundeinkommen.

Jedoch viele dieser Lösungsmodelle werden nur von einem Teilaspekt der Probleme abgeleitet und haben nicht die gesamte Problematik im Blick.

Die extreme Ungleichverteilung, ist etwa ein Problem, dass nur im Marxismus thematisiert wird. Und hier nur auf der Ebene, dass Profit verhindert werden soll und immer wieder umverteilt werden soll. Nicht die Ursachen des Problems werden im Marxismus beseitigt, sondern es wurde ständig mit Verboten gearbeitet und dadurch die Kreativität der Gesellschaft erwürgt.

Was in der ganzen Diskussion nicht stattfindet - und das ist für Samirah Kenawi eines der größten Probleme - es findet keinerlei Kritik des Geldüberschusses an den Finanzmärkten statt.

Ein weiteres zentrales Problem ist die Profitgier. Sie darf nicht weiter die Triebkraft des Kapitalismus sein.

Die Profitideologie muss hinterfragt und aufgelöst werden!

Dabei ist es wichtig die Ursachen des Profitstrebens zu beseitigen und dabei nicht nur mit Verboten zu arbeiten. Profitgier anzuprangern ist gut gemeint, nützt aber nichts. Denn es müssen die Ursachen des Profitstrebens beseitigen werden. Etwa leistungslose Einkommen unmöglich gemacht und die Geldschöpfung an die Warenwertschöpfung gekoppelt werden, um eine solide Geldmengensteuerung zu ermöglichen. Grenzenlose Geldhortung muss unnötig und unmöglich gemacht werden. Der Geldmangel in der Realwirtschaft, der Zwang zur Investition führt zu ständigem Bauen und zur Zerstörung der Natur.

Samirah Kenawi ist überzeugt, dass wenn es uns nicht gelingt diese monetären Probleme zu lösen, dann wird diese Gesellschaft sich selbst zerstören - aufgrund der ökonomischen Probleme und der daraus folgenden ökologischen und sozialen Probleme!

Soweit die Kurz-Zusammenfassung des Vortrages.

Wir möchten uns an der Stelle noch einmal ganz herzlich bei Samirah Kenawi bedanken!

Sie hat mit ihrem fundierten Wissen über unser Finanzsystem die unbequeme aber wichtige Wahrheit über den Zustand unserer derzeitigen Ökonomie gleich zu Anfang unserer Tagung auf den Tisch gebracht und offen gelegt.

Wir finden, dass es wichtig ist, dieser Wahrheit ins Gesicht zu blicken und den dahinerliegenden Mechanismus zu durchschauen. Als eine wichtige Voraussetzung um dann Schritt für Schritt neue Wege gehen zu können.

Mehr Informationen zur Wirtschaftsautorin Samirah Kenawi:

Zur Website von Samirah Kenawi --> https://falschgeldsystem.de/

Zum YouTube-Video „Der kaptialistische Geldkreislauf“ --> Der kapitalistische Geldkreislauf - YouTube

Zu Ihrem aktuellen Buch „Die Geschichte des Geldes“ --> https://www.bod.de/buchshop/geschichte-des-geldes-samirah-kenawi-9783753476759

Zum Film OECONOMIA --> www.oeconomia-film.de

Titel-Photo by lucas Favre on Unsplash