Wir alle sind Reisegefährten auf dieser Erde…
Ich beschäftige mich gerade intensiver mit den Matriarchaten Nordamerikas und hier speziell mit deren Spiritualität. Dabei bin ich unter anderem auf das Buch „Hüter der Erde“ gestoßen.
Zwei junge, weiße Männer, ein Journalist und ein Fotograf, treffen bei der Jagd nach einer Story auf einen Medizinmann und diese Begegnung verändert ihr Leben. Sie reisen zu Indigenen, um deren Botschaften zu sammeln und zu verbreiten.
Das Buch ist berührend und inspirierend. Beim Lesen wird mir die Absurdität unserer Gesellschaft und unseres Lebens wieder einmal brutal bewusst.
Hier möchte ich einen kleinen Auszug mit euch teilen, die Ansprache einer Clanmutter.
Bei der internationalen Konferenz „Global Forum on Environment and Development for Survival“ im Januar 1990 in Moskau hielt die Onondaga-Clanmutter Andrey Shenandoah eine programmatische Rede, die wir hier in Auszügen wiedergeben:
"Zuerst will ich danken für einen weiteren Tag des Lebens hier auf der Erde, einen weiteren Tag an dem wir die mitfühlende Güte unseres Schöpfers1 genießen können.
Ich will, wie wir das bei meinem Volk immer tun, die Konferenz mit Worten der Würdigung, des Respekts und des Dankes für unsere Mitmenschen beginnen.
Wir lassen unsere Gedanken zusammenkommen, damit wir eines Sinnes sind.
Wir richten unsere Worte an unsere Mutter Erde, die alles Leben nähert.
Wir wenden uns den kürzesten Gräsern dicht am Busen unserer Mutter Erde zu, wir denken mit Dankbarkeit und Respekt an alles Pflanzenleben, die Wälder, alle Wasser der Erde, die Fische, die Tiere auf dem Land, die Vögel und die vier Winde. Einmütig richten wir unsere Würdigung, Respekt und Dank nach oben zur Welt des Himmels: zu Großmutter Mond, die eine direkte Beziehung zu allen weiblichen Lebewesen hat, zur Sonne und den Sternen und zu unseren Geistwesen der Himmelswelt: sie folgen immer noch den ursprünglichen Weisungen in diesen großen Kreis des Lebens.
Ich überbringe Ihnen die allerbesten Grüße von meinem Volk, den Haudenosaudee 2.
Sie stellten für mich ein Bündel von Grüßen zusammen, bevor ich von zu Hause wegfuhr, so wie das immer getan wird, wenn jemand im Auftrag der hohe Haudenosaudee in ein anderes Land reißt.
Sie sagten: an die Häuptlinge, die Führung von vielen Ländern, übermitteln die Häuptlinge der Haudenosaudee so herzliche Grüße und großen Respekt. Möge ihr Harmonie finden. Allen spirituellen Führen und abends Inhabern ebenso herzliche Grüße von denen die bei den Haudenosaudee solche Aufgaben wahrnehmen.
Möge Frieden sein, wenn wir uns treffen.
An die Frauen in dieser Versammlung – die Mütter der Nationen – ein herzlicher Gruß der Anerkennung und des Respekts, denn sie haben eine ganz besondere und heilige Mission auf der Erde.
Und an die Kinder vieler Länder, die hier versammelt sind, richten wir beste Grüße von den Kindern unseres Heimatlandes.
Dieses Bündel von Grüßen und Anerkennung und Respekt übergebe ich hiermit allen hier versammelten. Die Grüße bekräftigen die gegenseitige Verbundenheit von uns Menschen und unsere Beziehung zur Umwelt und zum Universum.
Wir haben viel zu lernen von dem unglaublichen Wissen unserer Vorfahren. Seit Urzeiten gebrauchten sie all ihre Intelligenz und Sinne und sie wussten und fühlten sich allen verwandt. Auf irgendeine Weise muss diese Beziehung wieder gewonnen werden.
Wir sehen uns kritischen Zeiten gegenüber. Mit den nötigen Veränderungen muss jetzt begonnen werden, denn schwere Missbrauch und Misswirtschaft wird mit dem System, von dem unser Leben abhängt getrieben.
Heute richten sich die Energien der Menschen langsam darauf Wege zu finden die Mutter Erde zu retten.
Der Gründer der Haudenosaudee - Regierung, den wir den Friedensstifter nennen, wollte, dass soziale Gerechtigkeit in der Welt herrscht. Kein Mensch sollte mehr Privilegien als jeder andere haben. Allen sollte mit Respekt begegnet werden. Ein gesunder menschlicher Geist respektiert, die Gaben des Lebens – und alle Natur gibt Leben. In meiner Sprache gibt es kein Wort für Natur.
Das englische Wort „natur“ scheint sich auf etwas zu beziehen, dass von den Menschen getrennt ist. Wir kennen keine solche Unterscheidung. Es ist dumme Arroganz von Menschen, sich dem System, das unser aller Leben nährt, überlegen zu fühlen. Wie kann jemand dem überlegen sein, von dem sein Leben abhängt? Menschen haben prächtige Technologien erfunden – mit dem Ergebnis, dass Teile der Welt in unnötigem und entmündigendem Überfluss leben während Menschen in anderen Teilen der Welt aus Mangel an Nahrung, Wasser und Obdach sterben.
Die Prioritäten müssen anders gesetzt werden, damit Menschen, die viel haben sich nicht schämen müssen, weil andere hungern und sterben. Es sollte nirgendwo in der Welt obdachlose und hungernde Menschen geben. Die Machthaber müssen diese erbärmliche Situation angehen. Wir alle sind Reisegefährten auf dieser Erde…
Wir leben in einer Ära in der zu viel Geld für das Militär ausgegeben wird. Sogar jetzt, wo die Großmächte friedlicher Beziehungen zueinander herstellen, bleiben die Militärausgaben grotesk hoch. Der Zweck dieser hohen Etas kann nur die Erwartung von Gewalt sein.
Als eine Mutter fordere ich, dass unsere Söhne nicht dazu erzogen werden im Krieg zu sterben. Krieg ist irrational, seine Begründung suspekt. Wenn wir auf diesem Planeten weiterleben wollen, müssen wir Krieg beseitigen. Denn er schadet allen Lebewesen.
Ich möchte dringend dazu auffordern, die herrschenden Vorstellungen von Natur zu überdenken.
Natur und das Land darf nicht Geld bedeuten.
Natur muss Leben bedeuten.
Natur ist die Schatzkammer des Lebenspotenzials zukünftiger Generationen und ist heilig.
Die menschlichen Gesellschaften haben bereits die Technologien, die Nahrung, Kleidung und Unterkunft für alle liefern können. Doch die Organisation der Verteilung von Reichtum muss in Ordnung gebracht werden sonst zerstört das herrschende Ungleichgewicht das gegenwärtige wie auch zukünftige menschliche Leben und die Natur. Die westliche Gesellschaft muss die Priorität auf lebenserhaltende Systeme legen und ihre Bindung an die Materie Welt infrage stellen. Spiritualität sollte unser Fundament sein…"
Ich finde, in dieser Ansprache werden die Prinzipien matriarchalen Denken und Handelns ausgedrückt und sichtbar: die Verehrung der Natur, die Verbundenheit zwischen allem, friedliches Zusammenleben, die Wertschätzung der Mutter und Frau gegenüber und der Mutter Erde, die Spiritualität, die sich durch alles zieht und mit allem verbunden ist und die große Dankbarkeit, die matriarchal lebende Menschen allem entgegenbringen.
Klar benennt die Clanmutter Punkte, die diesen Prinzipien heute entgegenlaufen und letztendlich alles zerstören, was matriarchalen Menschen heilig ist.
Die Rede ist meiner Meinung nach heute aktueller denn je.
Anmerkungen zum Text:
1) Schöpfer ist hier nicht im Sinne von Gott zu verstehen, das Wort „Sakoaiatisan“ der Irokesen bedeutet vielmehr: unbegreifliche Totalität, die alles Sein umfasst, die immer war und immer sein wird, das Ganze, dessen wir ein Teil sind. Es gibt keine passende Übersetzung in unseren Sprachen
2) Haudenosaudee sind „Menschen des Langhauses“. So nennen sich sechs Nationen der Irokesen-Föderation.
Quelle: Hüter der Erde, Harvey Arden und Steve Wall, Verlag: Frederking & Thaler,